Kommunen interaktiv in die Kreislaufwirtschaft führen

Kommunen interaktiv in die Kreislaufwirtschaft führen

Im Rahmen des Projektes bergisch.circular wurde ein interaktiver Leitfaden für Kommunen entwickelt, der nicht nur theoretisches Wissen vermittelt, sondern auch konkrete Tools, Praxisbeispiele und rechtliche Orientierung rund um das Thema Kreislaufwirtschaft bietet.

Bild von einem Bildschirm, auf dem die Startseite des interaktiven BluePrints "Zirkuläre Prozesse in Kommunen" gezeigt wird

Foto vom Wuppertal Institut

Der steigende Wohlstand und das Bevölkerungswachstum führen weltweit zu einem immer höheren Ressourcenverbrauch – mit schädlichen Folgen für den Planeten und uns Menschen. Kreislaufwirtschaftliche Ansätze wie z. B. Recycling und Wiederverwendung bieten nachhaltige Lösungen, indem sie Ressourcen länger nutzen und den Bedarf an neuen Rohstoffen senken. Kommunen spielen bei der Umsetzung der Transformation eine zentrale Rolle, da sie viele Ressourcen managen, etwa im Abfallbereich, beim Bau kommunaler Gebäude und in der öffentlichen Beschaffung.

Überproportionales Wachstum

Derzeitige Wirtschaftsstrukturen sorgen für hohen Ressourcenverbrauch

Bis 2060 wird sich der globale Ressourcenverbrauch im Vergleich zu 2017 voraussichtlich verdoppeln, während die Weltbevölkerung nur um 26 % wächst [1] [2] – ein klares Zeichen für die notwendige Transformation!

Ressourcenschonung im Bergischen Städtedreieck

Das Projekt bergisch.circular treibt die Kreislaufwirtschaft in den Stadtverwaltungen des Bergischen Städtedreiecks voran, mit Fokus auf zirkulärem Bauen, nachhaltiger öffentlicher Beschaffung und Abfallvermeidung. Gemeinsam wurden Vorhaben wie eine Pilotsammlung für Altmatratzen angestoßen, um Ressourcen effizienter zu nutzen.

Kreislaufwirtschaft handhabbar machen

Damit auch andere Kommunen den Weg zur Kreislaufwirtschaft einschlagen können, wurde in dem Projekt ein interaktiver Leitfaden, der „Blueprint“, entwickelt. Dieser Leitfaden bündelt Erkenntnisse aus bergisch.circular und bietet u. a. praxisnahe Beispiele, Literaturempfehlungen sowie Tools wie einen Textbaustein-Katalog für zirkuläre Kriterien in Ausschreibungen. [3]

Der Leitfaden ermöglicht eine einfache Navigation durch Themen zur Kreislaufwirtschaft und bietet vertiefendes Begleitmaterial. Ziel ist es, Kommunen deutschlandweit zur Ressourcemschonung zu inspirieren. Insb. für NRW, das derzeit stark auf Grundstoffe ausgerichtet ist, spielt die Transformation eine entscheidende Rolle für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit. [4]

    Autor*innen

    Maike Demandt, Researcherin
    im Forschungsbereich Zirkuläre Systeme

    Dominik Martin, Researcher
    im Forschungsbereich Zirkulärer Wandel

    Fußnoten

    1. OECD (2019): „Global Material Resources Outlook to 2060: Economic Drivers and Environmental Consequences“, OECD Publishing. Paris. online unter: https://doi.org/10.1787/9789264307452-en (zuletzt aufgerufen am 7.11.2024).
    2. UN DESA (Population Division) (2024): „Prognose zur Entwicklung der Weltbevölkerung von 1950 bis 2100 (in Milliarden)“, online unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1717/umfrage/prognose-zur-entwicklung-der-weltbevoelkerung/ (zuletzt aufgerufen am 7.11.2024).
    3. Neue Effizienz (2024): „Blueprint: Zirkuläre Prozesse in Kommunen“, online unter: https://bergisch-circular.de/wp-content/uploads/sites/3/2024/09/Blueprint-bergisch.circular-1.2.pdf (zuletzt aufgerufen am 7.11.2024).
    4. Wilts, H., Berg, H., Seyring, N., Vahle, T., Herrmann, S., Kick, M., Müller-Kirschbaum, T. (2022): „NRW 2030: Von der fossilen Vergangenheit zur zirkulären Zukunft“, online unter: https://wupperinst.org/fileadmin/redaktion/downloads/projects/NRW2030_Zirkulaere_Zukunft.pdf (zuletzt aufgerufen am 7.11.2024).
    Die Wärmewende für alle – was NRW tun kann, um sie einfacher und wirtschaftlicher zu machen

    Die Wärmewende für alle – was NRW tun kann, um sie einfacher und wirtschaftlicher zu machen

    Vor allem Mietende profitieren derzeit nicht immer, wenn die Vermietenden das Haus dämmen oder die Heizung erneuern lassen. Das ist ungerecht und erfordert daher politische Initiativen – auch im und durch das Land NRW.

    Gebäude im Rohbau auf einer Baustelle.

    Foto von Paul Brennan auf Pixabay

    Menschen in wirtschaftlich benachteiligten Haushalten wohnen überwiegend zur Miete. Damit für sie – aber auch andere Mieter*innen – die Warmmiete durch die Wärmewende nicht steigt, müsste die Bundesförderung zur energetischen Sanierung von Mietwohnungen verbessert werden. Aktuell ist sie jedoch bei der Heizungsumstellung für Eigenheime höher als im Mietwohnbereich. Eine Ungerechtigkeit, die völlig zurecht für Unverständnis sorgt und die Akzeptanz der Wärmewende unnötig gefährdet.

    Die Schieflage der Förderung,

    wer mehr bräuchte, erhält weniger.

    Damit die Warmmieten durch energetische Modernisierungen oder den Einbau von Wärmepumpen sinken statt zu steigen, wäre aktuell eine höhere Förderung nötig als für selbstnutzende Eigentümer*innen. Hauptgrund dafür ist die Modernisierungsumlage. Sie macht den Heizungstausch für die Vermietenden schon heute wirtschaftlich. Auch für das Eigenheim lohnt es sich bereits jetzt. Aktuell ist allerdings die Förderung für den Heizungstausch – umgekehrt zum Bedarf – für selbstnutzende Eigentümer*innen höher (meist zwischen 50 und bis zu 70%) als für Vermietende (maximal 35%). Weil Vermietende die Förderung von der Umlage abziehen müssen, verbessert eine höhere Förderung die Wirtschaftlichkeit für die Mietenden 

    In einem kürzlich veröffentlichten Zukunftsimpuls beschreiben wir, welche Maßnahmen zielführend sind für mehr soziale Gerechtigkeit und Akzeptanz bei der Wärmewende: Dafür müsste die Förderung von Maßnahmen zur energetischen Modernisierung und Heizungsumstellung bei Mietwohnungen kurzfristig um mindestens 20 Prozent erhöht und mit weiteren Maßnahmen flankiert werden. Nur so könnte die Wärmewende sozial ausgewogen gestaltet werden – eine wesentliche Voraussetzung, um die nationalen Klimaschutzziele zu erreichen und soziale Belange stärker zu berücksichtigen.

    Was NRW tun kann: Wirtschaftlichkeit verbessern

    Die wesentlichen Förderprogramme in diesem Bereich sind Bundessache. Die Landesregierung von NRW kann daher das Gewicht des Landes bei der Bundesregierung geltend machen und eine Bundesratsinitiative starten, um sich für die Erhöhung der Fördersätze einzusetzen.

    Aber das Land NRW kann auch selbst aktiv werden, um die Wirtschaftlichkeit von Wärmedämmung und Heizungstausch zu verbessern. So könnte die Landesregierung bei ihrem eigenen Förderprogramm zur Modernisierung von Wohnraum die Förderung von Eigentumswohnungen und Eigenheimen zugunsten der Förderung von vermieteten Wohnraum verändern.

    Die Wirtschaftlichkeit kann aber auch durch Bündelung von energetischen Modernisierungsprojekten erreicht werden. Sie macht zudem die Projekte für die Hauseigentümer*innen einfacher. Gerade in „Quartieren mit besonderem Erneuerungsbedarf“ sollte ein besonderes Management die Eigentümer*innen und Bewohner*innen durch aktive Ansprache und Beteiligung für Wärmewendeprojekte gewinnen und bei der schnellen, einfachen und kostengünstigen Umsetzung unterstützen, z.B. durch Projektbündelung und serielle Sanierung. Dies sollte eigentlich der Bund deutlich stärker fördern. Solange er dies nicht tut, empfiehlt es sich für das Land, in die Bresche zu springen, denn es gewinnt durch Fördermittel des Bundes, z.B. für serielle Sanierung oder die Sanierung von Worst-performing buildings, und durch Beschäftigungsimpulse sowie verbesserte Kaufkraft der Mieter*innen aufgrund der Energieeinsparung. Zudem sparen die Kommunen bei der Übernahme der Kosten der Unterkunft, wenn von den Modernisierungsmaßnahmen auch Haushalte profitieren, die derzeit staatliche Hilfen wie Bürgergeld beziehen.

    One-Stop-Shops,

    sind Anlaufstellen, die von der Beratung über die Unterstützung bei der Handwerkersuche bis zur Baubegleitung und Qualitätskontrolle alles aus einer Hand bieten. Dazu arbeiten die Kommunen mit Berater*innen, Planer*innen, Handwerks- und Fachbetriebe sowie ggf. Energieunternehmen und Banken zusammen 

    Was NRW tun kann: Wärmewende einfacher machen

    Das Land sollte sicherstellen, dass sogenannte One-Stop-Shops in allen Städten und/oder Landkreisen verfügbar sind. Gemäß der Verpflichtung in der Novelle der EU-Energieeffizienzrichtlinie für Gebäude (EU) 2024/1275, Artikel 18, müssen solche One-Stop-Shops jeweils für maximal 80.000 Einwohner*innen verfügbar sein.

    Auch das ist eigentlich Aufgabe des Bundes, aber das Land NRW kann Vorreiter sein und seine Initiative ALTBAUNEU ausbauen:

    ● auf möglichst alle Kommunen in NRW (z.Zt. ca. 50%);
    ● mit mehr Fördermitteln, so dass mehr aktives Marketing und aktive Ansprache von Gebäudeeigentümer*innen möglich wird, unter Nutzung der Erfahrungen bei Innovation City Bottrop und Rollout;
    ● mit dem Ziel, eine Funktion als vollständiger One-Stop-Shop, zu erreichen.

    Autor*innen

    Dr. Stefan Thomas, Leiter der
    Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik

    Oliver Wagner, Co-Leiter des
    Forschungsbereichs Energiepolitik

    Birte Schnurr, Researcherin im
    Forschungsbereich Energiepolitik

    Extreme Hitze: Eine Herausforderung für Mensch und System

    Extreme Hitze: Eine Herausforderung für Mensch und System

    Mit einer Zunahme an Extremwetterereignissen steigt die Frequenz von Hitzewellen sowie ihre Intensität und verschärft die Auswirkungen auf die Bevölkerung und Gesundheit.

    Weiblich gelesene Person gibt Kind eine Flasche Wasser

    Foto von Ketut Subiyanto auf Pexels

    Im vergangenen Jahr 2022 hat es in Nordrhein-Westfalen im Gebietsmittel 17,7 Hitzetage gegeben. [1] Ein Hitzetag wird definiert als “[…] ein Tag, an dem das Maximum der Lufttemperatur ≥ 30°C beträgt”. [2] Selbst optimistische Prognosen, die eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5-Grad erwarten, deuten auf eine Zunahme von Hitzetagen hin. Heute leben bereits 40 % der Menschen in NRW in thermisch ungünstigen oder sehr ungünstigen Situationen. Bis 2050 könnte sich die Zahl auf 80 % erhöhen. [3] Ein besonders Hitze-bedingtes Gesundheitsrisiko besteht vor allem für Kinder, alte Menschen, sozial isolierte Menschen sowie Menschen mit Vorerkrankungen.

    8.173

    hitzebezogene Todesfälle in Deutschland im Sommer 2022

    Mit 8.173 hat Deutschland in Europa die drittmeisten hitzebezogenen Todesopfer im Sommer 2022 zu beklagen. [5] Europaweit starben über 60.000 Menschen aufgrund von Hitze. Dabei sorgt die Hitze häufig bei vulnerablen Gruppen für eine zusätzliche körperliche Belastung. 

    Hitze als Herausforderung für die Gesundheit

    Extreme Hitze kann eine Reihe von gesundheitlichen Beschwerden hervorrufen. Denn um den Körper abzukühlen, muss das Herz einen erhöhten Aufwand betreiben und durch eine erhöhte Blutzirkulation kann es zu einem geringen Blutdruck kommen. Hitzewellen können zu Herz-Kreislauferkrankungen, Einschränkung von kognitiven Funktionen und von Organen führen, psychische Belastungen nach sich ziehen, einen Kreislaufkollaps verursachen und letztlich im Falle eines Hitzschlags bis zum Tode führen. Zusätzlich wird in Folge von Hitzewellen die Luftverschmutzung (bspw. Ozon- und Pollenbelastung) verstärkt, was eine erhöhte Belastung für die menschliche Gesundheit bedeuten kann. Entsprechend kann es während Hitzewellen zu einer Vielzahl an akuten Versorgungs(not)fällen kommen, die das Gesundheitssystem zusätzlich stark belasten können. [4]

    Maßnahmen sind unabdingbar: Überlastung verhindern, Menschen schützen

    Zur Minderung der Risiken für die menschliche Gesundheit und zur Stärkung der Resilienz des Gesundheitssystems sind eine Reihe von Maßnahmen gefragt. Kommunale Hitzeaktionspläne, Aufklärungskampagnen und eine klimaangepasste städtische Planung (bspw.: klimaresiliente Gebäude, Grünflächen oder Trinkwasserbrunnen) sind wichtige Bausteine zur Verringerung von Risiken. Hierbei ist die Einbeziehung von Vertreter*innen des Gesundheitssektors relevant. [6] Neben der Stärkung der medizinischen Versorgung bedarf es gleichzeitig einer flächendeckenden Erfassung der Hitze-bedingten gesundheitlichen Auswirkungen. Wissen über temperatursensible Erkrankungen können den ambulanten und stationären Sektor bei Diagnosen unterstützen, während alltagsnahe Anpassungsstrategien und wissenschaftlich fundierte Weiterbildungskonzepte beispielsweise in Hausarztpraxen inmitten von Hitzewellen einen verbesserten Gesundheitsschutz gewährleisten können. [7] Mit präventiven Maßnahmen und dem Gewinnen von vertieftem Wissen über die Zusammenhänge von extremer Hitze und deren Auswirkungen auf den menschlichen Körper sowie vorhandene Vorerkrankungen können das Gesundheitssystem und die Menschen in NRW besser vor den Folgen des Klimawandels geschützt werden.

    Tim Heßler, studentische Hilfskraft
    im Forschungsbereich Stadtwandel

    Dieser Beitrag für den Nachhaltigkeitsradar wurde auf Basis der kürzlich publizierten “Explorationsstudie Klimawandel und Gesundheit” des Wuppertal Instituts geschrieben, die im Auftrag der BARMER erstellt wurde. Diese gibt einen breiten Überblick über mögliche gesundheitliche Folgen des Klimawandels. Die Autor*innen Markus Kühlert und Martina Schmitt waren in der Rolle der Qualitätssicherung an diesem Beitrag beteiligt.

    Fußnoten

    1. Deutscher Wetterdienst, (2023): „Klimastatusbericht Deutschland Jahr 2022“, online unter: https://www.dwd.de/DE/leistungen/klimastatusbericht/publikationen/ksb_2022.pdf?__blob=publicationFile&v=5.
    2. Deutscher Wetterdienst, (o. D.): „Heißer Tag. Wetter- und Klimalexikon“, online unter: https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?lv3=101162&lv2=101094 (zuletzt aufgerufen am 06.11.2023).
    3. Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, (2028): „Klimaanalyse NRW. LANUV-Fachbericht 86“, online unter: https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/3_fachberichte/Fachbericht_86-Klimaanalyse_web-gesichert.pdf.
    4. Schmitt, M., Kühlert, M., Baedecker, C., (2023): „Explorationsstudie Klimawandel und Gesundheit: Studie im Auftag der BARMER“, online unter: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/index/index/docId/8335.
    5. Ballester, J., Quijal-Zamorano, M., Méndez Turrubiates, R.F. et al.,  (2023): „Heat-related mortality in Europe during the summer of 2022“, online unter: https://doi.org/10.1038/s41591-023-02419-z.
    6. Matthies-Wiesler, F. et al., (2021): „he Lancet Countdown for Health and Climate Change – Policy Brief für Deutschland 2021“, online unter: ttps://www.klimawandel-gesundheit.de/wpcontent/uploads/2021/10/20211020_Lancet-Countdown-Policy-Germany2021_Document_v2.pdf.
    7. Schmitt, M., Kühlert, M., Baedecker, C., (2023): „Explorationsstudie Klimawandel und Gesundheit: Studie im Auftrag der BARMER“, onlune unter: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/index/index/docId/8335.
    Kommunales Nachhaltigkeitsmanagement braucht starke Instrumente

    Kommunales Nachhaltigkeitsmanagement braucht starke Instrumente

    Wie können Kommunen erfolgreich Nachhaltigkeit umsetzen? Die Erfahrung aus der Praxis zeigt: Es braucht dazu Managementansätze, in Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, die Nachhaltigkeit im kommunalen Kerngeschäft verankern und wirkungsorientiert ausrichten.

    Foto: Stengel / LAG 21 NRW

    Kommunen können mit ihren Handlungs- und Entscheidungskompetenzen viel für eine sozial-ökologische Transformation bewegen – und dank ihrer Nähe zu den Bürger*innen den Wandel positiv vermitteln. Doch Nachhaltige Entwicklung kommt nicht von allein. Durch die Komplexität der Themen und Vielfalt der betroffenen Bereiche muss sie gut geplant, politisch verankert, finanziell unterfüttert und als Ziel für die Verwaltung akzeptiert werden. Damit dies besser gelingt, hilft ein stringentes Nachhaltigkeitsmanagement mit Instrumenten, die ineinandergreifen und aufeinander aufbauen. Die Landesarbeitsgemeinschaft 21 NRW (LAG 21 NRW) sammelt seit Jahren Erfahrungen im Aufbau und der Anwendung solcher Instrumente und begleitet aktuell Kommunen bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien, -berichten und -haushalten.

    Die Instrumente im Fokus

    Die Herausforderung für viele Kommunen liegt darin, vom Wissen zum Handeln zu kommen. Mit einer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie kann dieser Weg beschritten werden, sichert sie doch eine systematische Verankerung von Nachhaltigkeit sowie ressortübergreifende Zusammenarbeit. Wichtig ist es, Entscheidungen partizipativ und mit Rückhalt von Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft zu erarbeiten, damit sie möglichst breit getragen werden und so größtmögliche Erfolgschancen haben.[1] 

    Ergänzt wird das grundlegende Instrument der Strategie durch einen Nachhaltigkeitsbericht. Dieser schafft durch Transparenz weitere Akzeptanz, indem erzielte Erfolge kommuniziert und Fortschritte genauso wie aktuelle Lücken reflektiert werden. Der Bericht kann zudem als eine Grundlage für politische Entscheidungsprozesse genutzt werden.[2] 

    Letztlich finden sich die wahren Ziele der Kommune aber nicht in ihrem Leitbild, sondern in ihrem Haushalt, wie es der renommierter Stadtplaner Brent Toderian formuliert.[3] Zudem werden knappe Finanzressourcen häufig als zentraler Hinderungsgrund für die Umsetzung Nachhaltiger Entwicklung angeführt. Deshalb braucht es eine Verknüpfung der beschlossenen Nachhaltigkeitsziele mit der kommunalen Haushaltsplanung.[4] Erst eine wirkungsorientierte Finanzzuteilung, welche die Mittelbereitstellung nach Nachhaltigkeitszielen sichtbar macht, gibt der Politik eine neue, langfristig orientierte Entscheidungsgrundlage.[5]

    Notwendige Rahmenbedingungen

    Die Einführung des kommunalen Nachhaltigkeitsmanagements kann aber nur erfolgreich verlaufen, wenn seine Methoden, Verfahren und Instrumente von einem gesamtheitlichen kulturellen Wandel begleitet werden. Hierfür braucht es lokale Akteursgruppen, welche die geforderte Inter- und Multidisziplinarität, ein kooperatives und inklusives Planungsverständnis sowie die Prinzipien und Ziele der Agenda 2030 in den Prozessen des kommunalen Nachhaltigkeitsmanagements einbringen und einfordern. Dafür muss entsprechendes Wissen innerhalb der Verwaltung, aber auch bei Akteursgruppen der Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und der Lokalpolitik aufgebaut und vertieft werden.[6] Neben der intrinsischen Motivation der involvierten Akteursgruppen sollten weitere Anreize für Kommunen gesetzt werden, die Prinzipien des kommunalen Nachhaltigkeitsmanagements proaktiv umzusetzen. Hier könnten spezielle Fördertöpfe zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien oder eine Bevorzugung von entsprechend strategisch agierenden Kommunen bei den vertikalen und horizontalen Finanzausgleichen wirken.

    Gastautor*innen:

    Mona Rybicki, Wissenschaftliche Projektmanagerin
    der Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW (LAG 21 NRW)

    Lukas Vering, Referent für Öffentlichkeitsarbeit
    der Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW (LAG 21 NRW)

     

    1. Global nachhaltige Kommune NRW (Hrsg., 2021): „Gesamtdokumentation der zweiten Projektlaufzeit 2019-2021“, online unter: https://www.lag21.de/files/default/pdf/Themen/Integrierte%20NHS_GNK/GNK%202019-2021/gnk-gesamtdokumentation-laufzeit2.pdf 
    2. Mehr zum Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung fasst der Rat für Nachhaltige Entwicklung hier zusammen: https://www.nachhaltigkeitsrat.de/projekte/berichtsrahmen-nachhaltige-kommune/ 
    3. Brent Toderian über Twitter (02.12.20).
    4. Dialog Nachhaltige Stadt (2019): Eckpunktepapier „In unserer Hand – Strategische Eckpunkte für eine nachhaltige Entwicklung in Kommunen“
    5. Weitere Informationen zum Nachhaltigkeitshaushalt unter: https://www.lag21.de/kommunaler-nachhaltigkeitshaushalt/ 
    6. Beispielsweise durch Lehrgänge und Kurse wie den Qualifizierungslehrgang „Kommunales Nachhaltigkeitsmanagement NRW“ (NaMa NRW): https://www.nama-nrw.de/ 
    Local Heroes: Informationen für eine wirkungsstarke Klimaanpassung auf lokaler Ebene

    Local Heroes: Informationen für eine wirkungsstarke Klimaanpassung auf lokaler Ebene

    Lokale Klimafolgenanpassung kann besonders effektiv sein, wenn sie an die entsprechenden räumlichen Bedingungen angeglichen ist. Doch hierzu werden orts- und themenspezifische Informationen benötigt. Auch das Lokalwissen und die entsprechenden (Modell)Unsicherheiten sind hierfür zu berücksichtigen.

    grüne Stadt

    Foto von cuttersnap auf Unsplash

    Wie kann eine Kommune mehr zum UV-Schutz ihrer Bevölkerung beitragen? Wie kann ein Waldbestand am Niederrhein möglichst klimastabil und standortgerecht angepasst werden? Und wie kann das Weserbergland seinen ökologischen Wasserzustand aufrechterhalten?
    Um diese unterschiedlichen Fragen zu beantworten und sich effektiv an die Klimawandelfolgen anpassen zu können, brauchen Entscheidende spezifische Informationen, die stark vom Anpassungsfall und der jeweiligen örtlichen Begebenheit abhängen. Folgende Fragestellungen sind dabei relevant:

    1. Soll die Anpassung auf Ebene von Gemeinden, Landkreisen, Kommunen oder Regionen stattfinden?
    2. Was sagen die Klimaprojektionen für die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten voraus?
    3. Was sind die jeweiligen ortsspezifischen Risiken, die Karten nicht abbilden?

    NRW besitzt acht klimatische Großlandschaften

    Die Folgen des Klimawandels äußern sich je nach naturräumlichen Gegebenheiten unterschiedlich in NRW. So hat das Land NRW acht unterschiedliche klimatische Großlandschaften. Eine Unterteilung mit entsprechenden Factsheets findet sich hier.
    Während die Klimaprojektionen beispielsweise für das Bergische -, Sieger- und Sauerland eine Zunahme des Niederschlags angeben, ist für das Niederrheinische Tiefland und die Bucht eine stärkere Hitzebelastung in den Ballungsräumen zu erwarten. Auf die Klimaanpassung im Wald, aber auch auf Städte und Gewässer haben diese regionsspezifischen Unterschiede durch Topographie und Landnutzung einen Einfluss. Daher ist es für Entscheidende zunächst hilfreich, die klimatischen Informationen der jeweiligen Großlandschaft zu kennen.

    Übersicht über die acht Großlandschaften NRWs

    Übersicht über die acht Großlandschaften NRWs, Abb. von Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW

    Hilfreiche Informationen für eine wirkungsstarke lokale Klimaanpassung

    Um Informationen zu spezifischen Themen und Ortschaften in NRW zu erhalten, können Entscheidende den Klimaatlas des LANUV frei nutzen. Er stellt vielfältige Karten mit Informationen zu Klima, menschlicher Gesundheit, Konzepten zur Klimaanpassung, Gründachkataster, etc. zur Verfügung. Waldbesitzende und Förster*innen finden zudem gesonderte Informationen auf waldinfo.nrw.

    Entscheidende für kleine oder mittelgroße Städte können sich online auf dem Informationsportal Klimaanpassung in Städten (INKAS) des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zur Stadtentwicklung beraten lassen. Darüber hinaus stellt der DWD stetig aktualisierte Klimaprojektionsdaten durch das Climate Data Center frei zur Verfügung. Auch das Climate Service Center Germany (GERICS) bietet prototypische und regionsspezifische Produkte sowie Dienstleistungen für die Klimaanpassung.

    Herausforderungen der Lokalen Klimaanpassung

    Bei der lokalen Klimaanpassung ist aber auch zu berücksichtigen, dass die jeweiligen Projektionsdaten und Karten auf Modellen basieren und eine Reihe von Unsicherheiten mit sich bringen. Daher ist es wichtig, dass Landesbehörden diese Unsicherheiten und die dazugehörigen Hintergrundinformationen kommunizieren und hierzu beraten. Hier steht das LANUV als Anlaufstelle zur Verfügung. Zudem sollten bei der Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen Zivilakteure mit spezifischen Lokalwissen einbezogen werden. Häufig kennen sie die Umgebung mit Gefahren und Potenzialen für die Anpassung besonders gut und können Risiken der Maßnahmen besser abschätzen.

    Constanze Schmidt, Wissenschaftliche Referentin für strategische Themenfeldentwicklung Klimaanpassung

    Fußnoten

    Wohnraumsuffizienz ermöglichen

    Wohnraumsuffizienz ermöglichen

    Durch die steigende Wohnfläche pro Person treiben wir den Flächen- und Energieverbrauch weiter an. Mit Wohnraumsuffizienz im Gebäudebestand können wir nicht nur unseren Ressourcenverbrauch senken, sondern schaffen auch mehr (bezahlbaren) Wohnraum.

    Foto: Anja Bierwirth

    Nach Berlin, Hamburg und Bremen gehört Nordrhein-Westfalen zu den Bundesländern mit der höchsten Bevölkerungsdichte [1], jede zweite Gemeinde wächst, aber auch ein Bevölkerungsrückgang ist in vielen Regionen zu erkennen.[2] Besonders in den wachsenden Städten NRWs ist oder wird bezahlbarer Wohnraum Mangelware. Um dem entgegenzuwirken, erscheint mehr Wohnraum zu schaffen als einfachste Lösung. Doch wie lässt sich das mit den Klimaschutzzielen der Bundesregierung vereinbaren? Schon jetzt verfehlen wir diese Ziele jedes Jahr für den Gebäudesektor.[3] Auch zeigen die zahlreichen Verschärfungen der Effizienzstandards keine Wirkung, insoweit, dass der Gesamtenergieverbrauch von Wohngebäuden nicht sinkt.[4]

    Warum erreichen wir unsere Klimaziele im Gebäudesektor nicht?

    Ein wesentlicher Grund für den steigenden Energieverbrauch ist die kontinuierlich steigende Wohnfläche pro Person.[5] Personen in NRW (und darüber hinaus) leben zunehmend in Single-Haushalten[6], entweder alleine in Wohnungen oder in Wohnhäusern. Dies führt zwangsläufig zu einem höheren Flächenbedarf pro Kopf als in Mehrpersonenhaushalten. Denn viele Gemeinschaftsflächen, wie z.B. Küche, Bad oder Wohnzimmer werden allein genutzt.

    46,3 Quadratmeter,

    pro Person bewohnen Menschen in 2021 in NRW im Schnitt.[7]

    Das ist ein Quadratmeter weniger als der Bundesdurchschnitt und 11,7 Quadratmeter oder ein Schlafzimmer pro Person mehr als noch 1991.[8] Erklärung für diesen steigenden Bedarf an Wohnfläche pro Person finden sich viele. Zum Beispiel trifft ein kontinuierlich ein steigender Anteil an Haushalten mit Ein- und Zwei-Personen auf einen Wohnungsmarkt, der auch in NRW verhältnismäßig wenige Ein- und Zwei-Zimmer-Wohnungen bereithält.

    Wie schaffen wir mehr Wohnraum und gleichzeitig Klimaneutralität?

    Ein hohes Potenzial an Wohnraum lässt sich im Gebäudebestand, also auch in der Art unseres Wohnens finden. Gemeinschaftliches Wohnen gilt als eine Möglichkeit, Einsparungen der individuellen Wohnkosten für Miete, Energie und Ausstattung mit sozialen und ökologischen Vorteilen für die Gesellschaft zu verbinden. Wohnt man alleine in einem zu groß gewordenen Haus, muss es aber nicht immer die Wohngemeinschaft sein. Oft ist es auch möglich, durch Umbau mehrere Wohneinheiten zu schaffen, sodass Einfamilienhäuser zu Mehr-Personen-Häusern werden. Wohnraummangel kann aber auch ein Organisationsproblem sein, welches zum Beispiel durch Wohnungstausch gelöst werden kann. So können wachsende Haushalte auf der Suche nach größerem bezahlbarem Wohnraum von unterbelegten Wohnraum profitieren und umgekehrt.

    Wie lässt sich mehr Suffizienz im Wohnen umsetzen?

    Im Falle eines Umzugs in eine kleinere Wohnung oder beim Wohnungstausch kann es dazu kommen, dass der neue Mietvertrag mit höheren Kosten verbunden ist. Dazu gibt es in der Mieterschutzverordnung zwar die    10 % Grenze, diese orientiert sich aber an den immer weiter steigenden ortsüblichen Mietpreisen.[9] Hilfreicher wäre es, Möglichkeiten zu bieten, welche die Mitnahme der Nettokaltmiete bei Umzug garantieren, wie es bereits einige Wohnungsunternehmen machen.[10] Noch wirkungsvoller könnte ein Wohnungstauschrecht sein, ähnlich zum Mietrechtsgesetz in Österreich, bei dem die jeweiligen Verträge übernommen werden.[11]

    Trotz hoher Bevölkerungsdichte hat auch NRW regional mit hohen Leerstandsquoten zu kämpfen.[12] [13] Im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Strukturförderung sollten die vorhandenen Leerstandspotenziale vorrangig ausgeschöpft werden, bevor über Neubau von Wohnungen bzw. Ausweisung von neuen Wohngebieten nachgedacht wird. Zusätzlich ließe sich die Neuausweisung von Wohngebieten durch ein Flächenmoratorium begrenzen.[14]

    Beratungs- und Förderangebote bieten weitere Potenziale. So können zentrale Anlaufstellen zu Wohnraumberatung, zur Vermittlung von Mitbewohner*innen oder Wohnungstauschbörsen die Umsetzung von flächensparenden Wohnformen antreiben. Darüber hinaus können Kommunen mit Förderprogrammen wie z.B. einer Beratungsprämie zur Aktivierung des Gebäudebestandes[15] vom Land unterstützt werden. Wohnraumsuffizienz ist sicherlich kein Allheilmittel für den Schutz des Klimas und die Umsetzung des Rechts auf angemessenen Wohnraum für alle, aber mit der entsprechenden, politischen Rahmengebung kann dieser Ansatz positive (Wechsel-)Wirkungen mit ganz unterschiedliche Zielbereichen der nachhaltigen Entwicklung Nordrhein-Westfalens auslösen.

    Michael Buschka, Junior Researcher im Forschungsbereich Stadtwandel

    Anja Bierwirth, Leiterin des Forschungsbereichs Stadtwandel

    Fußnoten

    1. Statistisches Bundesamt. (2022): „Bevölkerungsdichte in Deutschland nach Bundesländern zum 31. Dezember 2021 (Einwohner je km2)“, online unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1242/umfrage/bevoelkerungsdichte-in-deutschland-nach-bundeslaendern/ (zuletzt aufgerufen am: 26.04.23
    2. Demografieportal. (2022): „Regionale Bevölkerungsentwicklung in Nordrhein-Westfalen“, online unter: https://www.demografie-portal.de/DE/Fakten/bevoelkerungsentwicklung-regional-nordrhein-westfalen.html (zuletzt aufgerufen am 04.05.2023)
    3. UBA. (2023): „UBA-Prognose: Treibhausgasemissionen sanken 2022 um 1,9 Prozent“, online unter: https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/uba-prognose-treibhausgasemissionen-sanken-2022-um (zuletzt aufgerufen am 26.04.23)
    4. UBA. (2022). Endenergieverbrauch und -intensität für Raumwärme – Private Haushalte (witterungsbereinigt).
    5. BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.), 2023: Unterstützung von Suffizienzansätzen im Gebäudebereich. BBSR-Online-Publikation 09/2023, Bonn.
    6. Landesbetrieb IT.NRW. (2020, September 8): „41 Prozent der NRW-Haushalte sind Einpersonenhaushalte“, online unter: https://www.it.nrw/41-prozent-der-nrw-haushalte-sind-einpersonenhaushalte-17013#:~:text=NRW).-,In%20Nordrhein%2DWestfalen%20gab%20es%20im%20Jahr%202019%20nahezu%208,Anteil%20von%2041%2C0%20Prozent (zuletzt aufgerufen am: 26.04.23)
    7. Statistisches Bundesamt. (28. Juli, 2022): „Wohnfläche je Einwohner in Nordrhein-Westfalen von 1991 bis 2021 (in Quadratmeter)“ [Graph]. In Statista: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/258058/umfrage/wohnflaeche-je-einwohner-in-nordrhein-westfalen/ (zuletzt aufgerufen am 03.05.23)
    8. Statistisches Bundesamt. (28. Juli, 2022): „Wohnfläche je Einwohner in Nordrhein-Westfalen von 1991 bis 2021 (in Quadratmeter)“ [Graph]. In Statista: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/258058/umfrage/wohnflaeche-je-einwohner-in-nordrhein-westfalen/Statistisches Bundesamt  (2022, Juli): Wohnfläche je Einwohner in in Wohnungen in Deutschland von 1991 bis 2021(in Quadratmetern). https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36495/umfrage/wohnflaeche-je-einwohner-in-deutschland-von-1989-bis-2004/ (zuletzt aufgerufen am: 03.05.23)
    9. Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs bundesrechtlicher Mieterschutzvorschriften im Land Nordrhein-Westfalen (Mieterschutzverordnung – MietSchVO NRW), (2020). https://www.mhkbd.nrw/system/files/media/document/file/2020-06-09_mietschvo.pdf  (zuletzt aufgerufen am 04.05.23)
    10. BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.), 2023: Unterstützung von Suffizienzansätzen im Gebäudebereich. BBSR-Online-Publikation 09/2023, Bonn.BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im
    11. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.), 2023: Unterstützung von Suffizienzansätzen im Gebäudebereich. BBSR-Online-Publikation 09/2023, Bonn.
    12. empirica AG. (2022). CBRE-empirica-Leerstandsindex 2022. Zeitreihe 2009-2021.
    13. QUIS. (2021, März 11). Wie berechnet QUIS Leerstandsquoten für NRW? https://blog.quis.de/wie-berechnet-quis-leerstandsquoten-fuer-nrw (zuletzt aufgerufen am 04.05.23)
    14. BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und      Raumordnung (BBR) (Hrsg.), 2023:
      Unterstützung von Suffizienzansätzen im Gebäudebereich. BBSR-Online-Publikation 09/2023, Bonn.
    15. Wohnraumoffensive BW. (o. J.): „Prämie für die Aktivierung von ungenutztem Wohnraum – Beratungsprämie.“, online unter: https://www.wohnraumoffensive-bw.de/beratungspraemie (zuletzt aufgerufen am 04.05.2023)

     

    Naturbasierte Lösungen als allrounder im Kampf gegen den Klimawandel

    Naturbasierte Lösungen als allrounder im Kampf gegen den Klimawandel

    Die Natur hat zahlreiche Talente. Sie beherbergt nicht nur Flora und Fauna, sondern hat auch eine entscheidende Wirkungskraft im Kampf gegen den Klimawandel. In der Zukunft werden naturbasierte Lösungen immer wichtiger, denn sie fördern Klimaresilienz und sind gleichzeitig wichtige Kohlenstoffsenken.

    Foto: Madeleine Raabe (Wuppertal Institut) Die Emscher am Phönixsee in Dortmund (2023)

    Naturbasierte Lösungen (Nbs) sind “Maßnahmen, die natürliche Prozesse und Eigenschaften von Ökosystemen nutzen, um zentrale gesellschaftliche Herausforderungen, wie z.B. den Klimawandel, zu bewältigen und dabei zugleich erheblichen weiteren ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Gewinn bringen” [1]:

    • Sie sind essentiell für den Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität: Fruchtbare Böden, saubere Flüsse, Wasser und Luft sind für das Überleben von Mensch und Tier unabdingbar.
    • Sie bringen gleichzeitig erheblichen gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Gewinn, beispielsweise durch die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Bereichen Landschaftsarchitektur, Bodenpflege, Gartenbau, Agroforstwirtschaft oder auch im Tourismus, der wie kaum ein anderer Wirtschaftssektor auf eine intakte Natur und Umwelt angewiesen ist.
    • Sie unterstützen den Menschen zudem bei der Anpassung an den Klimawandel und extreme Wetterereignisse [2]: Gesunde Böden speichern zum Beispiel Wasser, regulieren den Wasserhaushalt und intakte Flussauen unterstützen den Hochwasserschutz.
    • Die Schaffung von Naturräumen ist gerade auch in städtischen Ballungszentren von größter Bedeutung: Naturnahe Flächen in Städten fördern das menschliche Wohlbefinden, innerstädtische Parks, Flussufer oder Seen sind zudem wichtige Naherholungsräume und Treffpunkte. 
    Vorteile von naturbasierten Lösungen - Die Europäische Kommission

    Übersicht über die acht Großlandschaften NRWs, Abb. von Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW

    Eines der größten Renaturierungsprojekte Europas ist in Nordrhein-Westfalen beheimatet: Der Emscher-Umbau im Herzen des Ruhrgebiets. Zusätzlich zu der wasserwirtschaftlichen und ökologischen Erneuerung des gesamten Flussgebiets wurde bei der Flussrenaturierung auch der Mehrwert für die Stadt- und Freiraumentwicklung, Klimaanpassung, Gesundheit, Biodiversität etc. mitgedacht.[3] Im 19. und 20. Jahrhundert wurde das Flussgebiet den Notwendigkeiten der Industrialisierung untergeordnet und so in seinen Ökosystemdienstleistungen massiv eingeschränkt. Mittlerweile ist die Emscher wieder ein Zuhause für viele Fischarten und an den Ufern leben Vögel, darunter der Eisvogel, der nur an besonders sauberen Gewässern brütet.[4] Der naturbasierte Umbau der Emscher ist eine Erfolgsgeschichte und steht heute stellvertretend und zukunftsweisend für die Möglichkeit eines nachhaltigen Strukturwandels einer ganzen Region.

    Relevant auch für den Klimaschutz

    Während bei der Anpassung an den Klimawandel die naturbasierten Lösungen im Vordergrund stehen, wird ihre Relevanz für die Speicherung von CO2 oft von den technischen Lösungsansätzen (z. B. Direct Air Capture oder Carbon Capture and Storage) verdrängt. Diese Technologien gelten als entscheidend für den Kampf gegen den Klimawandel und gewinnen zunehmend an Bedeutung, jedoch sind sie in dem Umfang, der für die Erreichung des 1,5 Grad Ziels benötigt wird, noch nicht vorhanden oder schlicht zu teuer und energieintensiv.[5] Auf der Europäischen Ebene werden jedoch auch naturbasierte Lösungen in den letzten Jahren intensiver diskutiert und spielen so zum Beispiel in der Strukturförderung und im European Green Deal eine wichtige Rolle. Aufgrund zahlreicher positiver Nebeneffekte und vergleichsweise günstiger Kosten-Nutzen-Verhältnisse sind naturbasierte Lösungen eine sinnvolle Ergänzung zu technischen Lösungen der Emissionsreduktion.

     

    Herausforderungen in der Umsetzung

    Besonders wichtig für die Umsetzung ist es, die Menschen in den Regionen und Kommunen als Partner*innen aktiv einzubeziehen: zum Einen diejenigen, die Flächen bewirtschaften und besitzen, zum Anderen die Entscheidungsträger*innen in den Kommunen und Städten, die am Besten einschätzen können, wo die dringendsten Bedarfe und auch Potenziale für die Umsetzung naturbasierter Lösungen liegen. Es ist deshalb sehr wichtig, bei den Maßnahmen für die naturbasierten Lösungen auf Förderung zu setzen, um so finanzielle Anreize für eine freiwillige Umsetzung, auch in NRW, zu schaffen.[6] Die kulturelle Herausforderung, vor der wir stehen, ist allerdings die Wiederentdeckung der Schönheit, Eigenart und Vielfalt der Natur, der auch bei der Debatte um die naturbasierten Lösungen schnell in den Hintergrund tritt. Zwar folgen Natur-, Umwelt- und Klimaschutz immer funktionalen, anthropozentrischen Überlegungen, jedoch sollten diese nicht nur Lösungen in einem engen technologischen Sinn verfolgen, sondern auch kulturelle Werte und unsere emotionalen und ästhetischen Bedürfnisse anerkennen.

     

    Madeleine Raabe, Junior Researcherin im Forschungsbereich Energiewende International

    Fußnoten

    1. Schubert, D. (2021). Naturbasierte Lösungen in den EU-Strukturfonds in Deutschland 2021—2027 Maßnahmen, Mehrwert und Möglichkeiten, S.3. https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Europa___International/nbs_strukturfonds_bf.pdf
    2. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. (2022). Aktionsplan Natürlicher Klimaschutz. https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Naturschutz/aktionsprogramm_natuerlicher_klimaschutz_2023_bf.pdf 
    3. Schröter, B., Brillinger, M., Gottwald, S., Guerrero, P., Henze, J., Ott, E., Schmidt, S., & Albert, C. (2021). Planung naturbasierter Lösungen in Flusslandschaften. oekom verlag. https://doi.org/10.14512/9783962388485 
    4. Fischer, Katarina. (2022). Emscher-Umbau: Die Rettung des dreckigsten Flusses Deutschlands. National Geographic. https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2022/09/emscher-umbau-die-rettung-des-dreckigsten-flusses-deutschlands .
    5. NABU. (2023). Negative Emissionstechnologien CCU CCS – NABU. https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/forschungspolitik/32419.html.
    6. Schubert, D. (2021). Naturbasierte Lösungen in den EU-Strukturfonds in Deutschland 2021—2027 Maßnahmen, Mehrwert und Möglichkeiten.
    “Wicked problems” im urbanen Raum lösen

    “Wicked problems” im urbanen Raum lösen

    Seit Jahren wird im urbanen Raum alles integriert gedacht: Kommunale Klimaschutz-, Verkehrs- oder Flächenentwicklungskonzepte, Konzepte zur Gesundheitsförderung und zur Arbeitsförderung, Stadtentwicklungskonzepte – um nur einige Beispiele zu nennen. All diese Konzepte erheben den Anspruch, die Menschen und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen.

    Foto: Victor, Unsplash

    Foto: Victor auf Unsplash

    Seit Jahren wird im urbanen Raum alles integriert gedacht: Kommunale Klimaschutz-, Verkehrs- oder Flächenentwicklungskonzepte, Konzepte zur Gesundheitsförderung und zur Arbeitsförderung, Stadtentwicklungskonzepte – um nur einige Beispiele zu nennen. All diese Konzepte erheben den Anspruch, die Menschen und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen.

    Es geht um Paradigmen

    In der Realität ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit oftmals eklatant. Straßen sind hier ein gutes Beispiel. Im Paradigma der autogerechten Stadt werden sie vor allem als Verkehrswege für motorisierte Verkehrsmittel wahrgenommen und geplant. Das hat bekannte Folgen für Klima und Umwelt, aber auch Sicherheit, Gesundheit und Aufenthaltsqualität. Es gibt gute Gründe für Veränderung. Aber ein Paradigma sitzt tief und so ist die Veränderung schleichend, obwohl viele gute Beispiele – nicht zuletzt im NRW-Landeswettbewerb “Zukunft Stadtraum” – zeigen, wie eine zukunftsfähige Gestaltung des öffentlichen Raums aussehen und unterschiedliche Ziele der nachhaltigen Entwicklung gleichzeitig adressieren kann: Der für den Umgang mit dem Klimawandel notwendige Ausbau der blau-grünen Infrastrukturen erfordert zum Beispiel eine Entsiegelung von Straßenraum und damit in Folge eine Reduzierung von Parkraum, die wiederum mittelfristig eine erwartbare Reduktion des Aufkommens an Verkehrswegen mit privaten Pkws zur Folge haben dürfte. Das wiederum schafft Platz, Nahrerholungsqualität und mehr Sicherheit für nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmende sowie reduziert Luftschadstoffe, Emissionen und Verkehrslärm.

    Wicked problems

    würde man im Deutschen vermutlich “vertrackte” oder “verzwickte” Probleme nennen. So richtig gut lässt sich dieser Begriff jedoch nicht übersetzen und ist daher in seiner englischen Form zum geflügelten Wort geworden. Als “wicked” werden häufig solche Probleme bezeichnet, die sich durch ein hohes Ausmaß an Komplexität auszeichnen. Es ist jedoch genau diese begriffliche Rahmung, die eine Suche nach Lösungen erschweren kann. [1]

    Die intelligente und nachhaltige Umgestaltung von öffentlichem Raum kann mit Fug und Recht als “wicked problem” bezeichnet werden: Sie ist gekennzeichnet von vielfältigen Nutzungsansprüchen und Zielvorstellungen, von hoher Komplexität und von Planungsunsicherheit. [1]  Daran scheitert die Idee der normativen, fachlichen, politischen und räumlichen Integration in der Realität bis heute zu oft. Während die fachliche und räumliche Integration oftmals nur im lokalen Einzelfall sinnvoll gestaltet werden kann, muss die normative und politische Integration auf übergeordneter Ebene erfolgen: Es bedarf eindeutiger, langfristig angelegter, politischer Rahmenbedingungen, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung synergieorientierte Systemansätze priorisieren und so Unsicherheiten reduzieren. Hier ist insbesondere die Landesregierung im Rahmen ihrer Raumordnungs- und Landesplanungskompetenz gefragt, die ihr die Möglichkeit gibt, die landesplanerischen Vorgaben systematisch auf Nachhaltigkeit auszurichten. [2]

    Dr. Steven März, Senior Researcher
    im Forschungsbereich Stadtwandel

    Fußnoten

    1. Schwedes, Oliver und Alexander Rammert (2020): “Was ist Integrierte Verkehrsplanung?
      Hintergründe und Perspektiven einer am Menschen orientierten Planung” , IVP Discussion Paper Nr. 2020 (2), online unter: http://hdl.handle.net/10419/218899 (zuletzt aufgerufen am 08.03.2023).
    2. Goppel, Konrad (2018): “Landesplanung, Landesentwicklung”, in: ARL – Akademie der Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Stadt- und Raumentwicklung, S. 1307-1322, online unter: https://www.arl-net.de/system/files/media-shop/pdf/2023-01/Landesplanung%2C%20Landesentwicklung.pdf (zuletzt aufgerufen am 08.03.2023).

    Urbane Kreisläufe

    Urbane Kreisläufe

    Für die Kreislaufwirtschaft spielen das urbane Abfallmanagement und die urbane Infrastruktur eine wichtige Rolle. Auch in NRW machen sich erste Städte auf den Weg “Zero Waste Cities” zu werden.

    Schiefer Stein Platten im Kreis

    Foto: Tom auf Pixabay

    Die Transformation der linearen Wirtschaft zu einer Circular Economy gilt zunehmend als Schlüsselstrategie für den Ressourcenschutz. Bei diesem Paradigmenwechsel wird Abfall möglichst vermieden und Produkte durch Wiederverwendung und Reparatur so lange wie möglich genutzt.[1]

    Dabei handelt es sich um eine immense Gestaltungsaufgabe auf allen Ebenen der Governance; nicht zuletzt auch auf der lokalen Ebene, wofür integrierte Konzepte für Städte mit quantifizierbaren Zielen und transparentem Monitoring nötig sind. Die Städte spielen nicht nur aufgrund ihres hohen Anteils an der Bevölkerung und dem starken Ressourcenverbrauch eine wichtige Rolle beim Übergang zu einer nachhaltigen und zirkulär ausgerichteten Gesellschaft, sondern auch durch ihre Schlüsselkompetenzen im Bereich Abfallmanagement, Infrastruktur und Klimaschutz.

    Immer mehr Städte Circular Cities und Zero-Waste Cities

    Immer mehr Städte entschließen sich mit integrierten Konzepten, wie der Circular City Declaration oder dem Zero-Waste-City-Ansatz, urbane Kreisläufe zu schließen. Dabei spielen neben dem zirkulären Bauen und einer ressourcenleichten Beschaffung auch die Aufklärung und Sensibilisierung der Stadtgesellschaft eine wichtige Rolle. Die erste deutsche Zero-Waste-City Kiel hat sich zum Beispiel das Ziel gesetzt, bis 2035 ihre Restmüllmenge um 50 % zu reduzieren. In NRW sind es bisher wenige Städte, die sich in diesem Bereich systematisch engagieren: Als einzige Stadt in NRW hat sich bisher die Stadt Aachen der Circular City Declaration angeschlossen.g Die Stadt Bonn hat gemeinsam mit dem globalen Städteverband ICLEI eine Strategie für ein zirkuläres Ernährungssystem erarbeitet.[2] Und die Stadt Köln hat beschlossen bis Ende 2022 ein Circular City Konzept zu erarbeiten.[3]

    Carina Koop, 
    Researcherin im Forschungsbereich Stoffkreisläufe

    Fußnoten

    1. Wilts, Henning und Nadja von Gries (2017): Der schwere Weg zur Kreislaufwirtschaft. GWP – Gesellschaft. Wirtschaft, in: Politik, 66(1), S. 23–28, online unter: https://doi.org/10.3224/gwp.v66i1.02 (zuletzt aufgerufen am 11.12.2021).
    2. ICLEI und Bundesstadt Bonn (2021): Towards circular food systems in Bon, online unter: https://circulars.iclei.org/wp-content/uploads/2021/10/Towards-Circular-Food-Systems-in-Bonn-web-5mb.pdf (zuletzt aufgerufem am 30.03.2022).
      OECD (2020).
    3. The Circular Economy in Cities and Regions (OECD Urban Studies). Synthesis Report, online unter: https://www.oecd.org/regional/the-circular-economy-in-cities-and-regions-10ac6ae4-en.htm (zuletzt aufgerufen am 11.12.2021).

    Luftqualität: Neue Leitlinien und Zahlen

    Luftqualität: Neue Leitlinien und Zahlen

    Diagramm: Vergleich der Empfehlungen der WHO zu Grenzwerten für Luftschadstoffe und den gesetzlichen Vorgaben nach europäischem und deutschem Recht

    Eigene Zusammenstellung, Stand März 2022

    Am 22. September 2021 hat die Welt­gesundheits­organisation (WHO) – mehr als 15 Jahre nach der letzten Veröffentlichung – aktualisierte globale Luftgüteleitlinien vorgestellt. Auf Basis einer systematischen Bestandsaufnahme der derzeit vorliegenden Erkenntnisse bezüglich der negativen Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit korrigiert, die WHO darin ihre bisher bestehenden Luftqualitäts­leitwerte deutlich nach unten. Nach den Erkenntnissen der WHO geht eine Überschreitung dieser neuen Leitwerte mit erheblichen Risiken für die Gesundheit einher, da bereits geringere Luftschadstoffkonzentrationen als bisher angenommen, gesundheitliche Schäden hervorrufen können.[1] 

    Deutlich drüber

    Schon die Empfehlungen der WHO für Grenzwerte von 2005 waren deutlich niedriger als die gesetzlichen Vorgaben in Deutschland und der EU. Dieser Unterschied verschärft sich mit der Aktualisierung der WHO Empfehlungen noch einmal deutlich.

    Sechs Luftschadstoffe im Fokus

    Die sechs adressierten Luftschadstoffe dieser neuen Luftgüteleitlinie sind Feinstaub (PM2,5 und PM10), Ozon (O3), Stickstoffdioxid (NO2), Schwefeldioxid (SO2) und Kohlenmonoxid (CO). So empfehlen die aktualisierten Luftgüteleitlinien der WHO eine mittlere jährliche Luftschadstoffkonzentration von max. 5 µg/m³ bzw. 15 µg/m³ für PM2,5 bzw. PM10 sowie von max. 10 µg/m³ für Stickstoffoxid. Weiterhin wird für Ozon eine mittlere Konzentration von max. 60 µg/m³ während der Sommermonate, für Schwefeldioxid eine mittlere Tageskonzentration von max. 40 µg/m³ sowie für Kohlenmonoxid eine mittlere Tageskonzentration von max. 4 µg/m³ empfohlen.

    Europäische und deutsche Luftreinhaltepolitik

    Die Empfehlungen dieser verschärften Luftgüteleitlinien sind nicht rechtsverbindlich, dennoch sehen darin verschiedene Expert*innen eine Chance, die europäische und globale Luftreinhaltepolitik – auch im Hinblick auf die anstehende Novellierung der Luftqualitätsrichtlinie der Europäischen Kommission – maßgeblich zu beeinflussen.[2] Im Sinne einer Änderung der europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich einer Verschärfung der Grenzwerte sollte auch über eine Anpassung des strategischen Ziels zur Verbesserung der Luftqualität der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes NRW eruiert werden. Darin wird bisher die sichere Einhaltung der europarechtlichen Grenzwerte bezüglich der Indikatoren PM2,5-, PM10- und Stickstoffdioxidkonzentration als konkretes Ziel benannt. Diese liegen allerdings mit Grenzwerten von 40 µg/m³ für PM2,5, 25 µg/m³ für PM10 sowie 40 µg/m³ für Stickstoffdioxid deutlich über den aktualisierten Empfehlungen der WHO.

    Charlotte Thelen, Wissenschaftliche Hilfskraft im 
    Forschungsbereich Mobilität und Verkehrspolitik

    Fußnoten

    1. 2 Weltgesundheitsorganisation (22.09.2021): „Neue globale Luftgütelinien der WHO sollen Millionen von Menschenleben vor Luftverschmutzung retten“, Pressemitteilung, online unter: www.euro.who.int. https://www.euro.who.int/de/media-centre/sections/ press-releases/2021/new-who-global-air-quality-guidelines-aim-to-save-millions-of-lives-from-air-pollution (zuletzt aufgerufen am 21.12.2021).
    2. Umweltbundesamt (22.09.2021): „Stellungnahme: WHO-Luftqualitätsleitlinien 2021“, online unter: https://www.umweltbundesamt.de/themen/stellungnahme-who-luftqualitaetsleitlinien-2021 (zuletzt aufgerufen am: 21.12.2021).