Hitzerekorde, Waldbrände, Flutkatastrophen – Der Klimawandel ist längst keine abstrakte Bedrohung mehr. Mit der Erfahrbarkeit kommt zunehmend auch die “Klima-Angst”. Was steckt dahinter? Und wie gehen wir damit um?

Holzfliesen buchstabieren das Wort "anxiety".

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“I want you to panic! I want you to feel the fear I feel every day and then I want you to act!“ Mit diesen Worten hat die Klimaaktivistin Greta Thunberg auf dem Weltwirtschaftsforum 2019 in Davos “Climate Anxiety”, zu deutsch “Klima-Angst”, zu einem Bestandteil des öffentlichen Klimadiskurses gemacht. Neben der zunehmenden medialen Verbreitung begann in den letzten Jahren eine verstärkte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Begriff der Klima-Angst. 2022 thematisierte auch der IPCC erstmals die Auswirkungen der Klimakrise auf die menschliche Psyche.[1]

Was ist Klima-Angst

Klima-Angst kann definiert werden als „Angst, die in erheblichem Zusammenhang mit dem anthropogenen Klimawandel steht“[2]. Mit einer Angststörung hat das in erster Linie nichts zu tun. Pathologische Klima-Angst ist äußerst selten. Vielmehr ist sie eine verständliche und vernünftige – und im Sinne des Klimaschutzes auch notwendige – emotionale Reaktion auf eine Bedrohung.[3] Konkret kann diese Reaktion jedoch sehr unterschiedlich ausfallen: Sie kann zu einer Leugnung, Vermeidung oder Verharmlosung der Klimakrise führen oder im schlimmsten Fall zu einem Freeze-Zustand, einem dysfunktionalen Zustand des Erstarrens.[4] Angst kann sich aber durchaus auch positiv auf das Engagement für den Klimaschutz auswirken. So weisen neuere Forschungsergebnisse darauf hin, dass Klima-Angst eine motivierende Funktion hat und individuelles Handeln fördert.[5]

Wer hat (keine) Angst vor Klimawandel?

Potentiell können alle Menschen, die sich der Klimakrise bewusst sind, Klima-Angst verspüren. Sie kann durch direktes Erleben eines Umweltproblems infolge des Klimawandels ausgelöst werden, wie beispielsweise durch das Miterleben des Jahrhundert-Hochwassers im Ahrtal im Juli 2021. Aber auch ohne unmittelbare Betroffenheit kann sich Klima-Angst, insbesondere durch die medial gestützte Klimakommunikation aktueller Ereignisse und wissenschaftlicher Erkenntnisse zu zukünftigen Entwicklungen, indirekt manifestieren.[6]

73 % 

der Jugendlichen geben an, Angst vor den Folgen des Klimawandels zu haben.

Klima-Angst ist ein immer größer werdendes Problem, vor allem bei jungen Menschen. Laut einer repräsentativen Befragung von 1.010 jungen Menschen in Deutschland im Alter von 14 bis 22 Jahren stimmen 33% der Aussage “Vor den Folgen des Klimawandels habe ich Angst.” voll und ganz zu.[7]

Bestimmte Personengruppen könnten dabei potentiell mehr oder weniger anfällig für Klima-Ängste sein. So ist Klima-Angst vor allem bei jungen Menschen weit verbreitet. Bisherige Studienergebnisse sind allerdings inkonsistent und lassen so noch keine generalisierbaren Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger*innen zu.

Wie umgehen mit der Klima-Angst?

Klar ist, dass der Klimawandel ein kollektives Problem bleibt, auch wenn Klima-Angst sich individuell äußert.[8] Für den gesellschaftlichen Umgang mit der Klimakrise könnte aber ein besseres Verständnis dieser individuellen, emotionalen Reaktion entscheidend sein: Sind bestimmte Bevölkerungsgruppen stärker, andere weniger stark betroffen? Gibt es regionale Unterschiede und wodurch werden sie determiniert? Welchen Einfluss hat das Vorhandensein oder das Fehlen der Angst vor den Folgen des Klimawandels auf Lebensstile, Wahlentscheidungen oder die Akzeptanz ambitionierter Klimaschutzpolitik? Hier steht die Forschung noch ganz am Anfang.[9] Es ist zudem eine naheliegende Annahme, dass gerade die Nachhaltigkeitskommunikation aus solchen Erkenntnissen wesentlich über ihre Zielgruppen dazulernen könnte. Denn es ist wichtig, dass Klimakommunikator*innen Emotionen jeglicher Art erst nehmen, ohne sie zu instrumentalisieren.[10]

Sina Diersch, Junior Researcherin
im Forschungsbereich Stadtwandel

Fußnoten

  1. Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, 2022): “Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change”, online unter: https://doi.org/10.1017/9781009325844 (zuletzt aufgerufen am 18.07.2023).
  2. Pikhala, P. (2020): “Anxiety and the ecological crisis: an analysis of eco-anxiety and climate anxiety”, in: Sustainability 12(19): 7836, S. 3, online unter: https://doi.org/10.3390/su12197836 (zuletzt aufgerufen am 18.07.2023).
  3. Heinzel, S. (2022): “Klima-Angst. Eine angemessene Reaktion auf eine maßlose Krise?”, in: Climate Emotions. Klimakrise und psychische Gesundheit. Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG, Gießen, S.132, online unter: https://doi.org/10.30820/9783837978667 (zuletzt aufgerufen am 18.07.2023).
  4. Leuser, L.; Weiss, D. (2020):“Veränderungen berühren alle – Die Rolle von Emotionen in Nachhaltigkeitstransformationen”, S.14, online unter: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/veraenderungen-beruehren-alle-die-rolle-von (zuletzt aufgerufen am 18.07.2023).
  5. u.a. Whitmarsh, L., Player, L., Jiongco, A., James, M., Williams, M., Marks, E., Kennedy-Williams, P. (2022): “Climate anxiety: What predicts it and how is it related to climate action?”, online unter: https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2022.101866 (zuletzt aufgerufen am 25.07.2023).
  6. Heinzel, S. (2022): “Klima-Angst. Eine angemessene Reaktion auf eine maßlose Krise?”, in: Climate Emotions. Klimakrise und psychische Gesundheit. Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG, Gießen, S.131, online unter: https://doi.org/10.30820/9783837978667 (zuletzt aufgerufen am 18.07.2023).
  7. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) (2022): “Zukunft? Jugend fragen! – 2021. Umwelt, Klima, Wandel – was Junge Menschen erwarten und wie sie sich engagieren”, online unter: https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/zukunft_jugend_fragen_2021_bf.pdf (zuletzt aufgerufen am 18.07.2023).
  8. Heinzel, S. (2022): “Klima-Angst. Eine angemessene Reaktion auf eine maßlose Krise?”, in: Climate Emotions. Klimakrise und psychische Gesundheit. Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG, Gießen, S.140, online unter: https://doi.org/10.30820/9783837978667 (zuletzt aufgerufen am 18.07.2023).
  9. Wullenkord, M.C., Tröger, J., Hamann, K.R.S. et al. (2021): “Anxiety and climate change: a validation of the Climate Anxiety Scale in a German-speaking quota sample and an investigation of psychological correlates”, in: Climatic Change 168, 20, online unter: https://doi.org/10.1007/s10584-021-03234-6 (zuletzt aufgerufen am 18.07.2023).
  10. Schrader, C. (2022): “Über Klima sprechen. Das Handbuch”, oekom verlag, München, S.259ff. online unter: https://doi.org/10.14512/9783962389314 (zuletzt aufgerufen am 18.07.2023).