Extreme Hitze: Eine Herausforderung für Mensch und System

Extreme Hitze: Eine Herausforderung für Mensch und System

Mit einer Zunahme an Extremwetterereignissen steigt die Frequenz von Hitzewellen sowie ihre Intensität und verschärft die Auswirkungen auf die Bevölkerung und Gesundheit.

Weiblich gelesene Person gibt Kind eine Flasche Wasser

Foto von Ketut Subiyanto auf Pexels

Im vergangenen Jahr 2022 hat es in Nordrhein-Westfalen im Gebietsmittel 17,7 Hitzetage gegeben. [1] Ein Hitzetag wird definiert als “[…] ein Tag, an dem das Maximum der Lufttemperatur ≥ 30°C beträgt”. [2] Selbst optimistische Prognosen, die eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5-Grad erwarten, deuten auf eine Zunahme von Hitzetagen hin. Heute leben bereits 40 % der Menschen in NRW in thermisch ungünstigen oder sehr ungünstigen Situationen. Bis 2050 könnte sich die Zahl auf 80 % erhöhen. [3] Ein besonders Hitze-bedingtes Gesundheitsrisiko besteht vor allem für Kinder, alte Menschen, sozial isolierte Menschen sowie Menschen mit Vorerkrankungen.

8.173

hitzebezogene Todesfälle in Deutschland im Sommer 2022

Mit 8.173 hat Deutschland in Europa die drittmeisten hitzebezogenen Todesopfer im Sommer 2022 zu beklagen. [5] Europaweit starben über 60.000 Menschen aufgrund von Hitze. Dabei sorgt die Hitze häufig bei vulnerablen Gruppen für eine zusätzliche körperliche Belastung. 

Hitze als Herausforderung für die Gesundheit

Extreme Hitze kann eine Reihe von gesundheitlichen Beschwerden hervorrufen. Denn um den Körper abzukühlen, muss das Herz einen erhöhten Aufwand betreiben und durch eine erhöhte Blutzirkulation kann es zu einem geringen Blutdruck kommen. Hitzewellen können zu Herz-Kreislauferkrankungen, Einschränkung von kognitiven Funktionen und von Organen führen, psychische Belastungen nach sich ziehen, einen Kreislaufkollaps verursachen und letztlich im Falle eines Hitzschlags bis zum Tode führen. Zusätzlich wird in Folge von Hitzewellen die Luftverschmutzung (bspw. Ozon- und Pollenbelastung) verstärkt, was eine erhöhte Belastung für die menschliche Gesundheit bedeuten kann. Entsprechend kann es während Hitzewellen zu einer Vielzahl an akuten Versorgungs(not)fällen kommen, die das Gesundheitssystem zusätzlich stark belasten können. [4]

Maßnahmen sind unabdingbar: Überlastung verhindern, Menschen schützen

Zur Minderung der Risiken für die menschliche Gesundheit und zur Stärkung der Resilienz des Gesundheitssystems sind eine Reihe von Maßnahmen gefragt. Kommunale Hitzeaktionspläne, Aufklärungskampagnen und eine klimaangepasste städtische Planung (bspw.: klimaresiliente Gebäude, Grünflächen oder Trinkwasserbrunnen) sind wichtige Bausteine zur Verringerung von Risiken. Hierbei ist die Einbeziehung von Vertreter*innen des Gesundheitssektors relevant. [6] Neben der Stärkung der medizinischen Versorgung bedarf es gleichzeitig einer flächendeckenden Erfassung der Hitze-bedingten gesundheitlichen Auswirkungen. Wissen über temperatursensible Erkrankungen können den ambulanten und stationären Sektor bei Diagnosen unterstützen, während alltagsnahe Anpassungsstrategien und wissenschaftlich fundierte Weiterbildungskonzepte beispielsweise in Hausarztpraxen inmitten von Hitzewellen einen verbesserten Gesundheitsschutz gewährleisten können. [7] Mit präventiven Maßnahmen und dem Gewinnen von vertieftem Wissen über die Zusammenhänge von extremer Hitze und deren Auswirkungen auf den menschlichen Körper sowie vorhandene Vorerkrankungen können das Gesundheitssystem und die Menschen in NRW besser vor den Folgen des Klimawandels geschützt werden.

Tim Heßler, studentische Hilfskraft
im Forschungsbereich Stadtwandel

Dieser Beitrag für den Nachhaltigkeitsradar wurde auf Basis der kürzlich publizierten “Explorationsstudie Klimawandel und Gesundheit” des Wuppertal Instituts geschrieben, die im Auftrag der BARMER erstellt wurde. Diese gibt einen breiten Überblick über mögliche gesundheitliche Folgen des Klimawandels. Die Autor*innen Markus Kühlert und Martina Schmitt waren in der Rolle der Qualitätssicherung an diesem Beitrag beteiligt.

Fußnoten

  1. Deutscher Wetterdienst, (2023): „Klimastatusbericht Deutschland Jahr 2022“, online unter: https://www.dwd.de/DE/leistungen/klimastatusbericht/publikationen/ksb_2022.pdf?__blob=publicationFile&v=5.
  2. Deutscher Wetterdienst, (o. D.): „Heißer Tag. Wetter- und Klimalexikon“, online unter: https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?lv3=101162&lv2=101094 (zuletzt aufgerufen am 06.11.2023).
  3. Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, (2028): „Klimaanalyse NRW. LANUV-Fachbericht 86“, online unter: https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/3_fachberichte/Fachbericht_86-Klimaanalyse_web-gesichert.pdf.
  4. Schmitt, M., Kühlert, M., Baedecker, C., (2023): „Explorationsstudie Klimawandel und Gesundheit: Studie im Auftag der BARMER“, online unter: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/index/index/docId/8335.
  5. Ballester, J., Quijal-Zamorano, M., Méndez Turrubiates, R.F. et al.,  (2023): „Heat-related mortality in Europe during the summer of 2022“, online unter: https://doi.org/10.1038/s41591-023-02419-z.
  6. Matthies-Wiesler, F. et al., (2021): „he Lancet Countdown for Health and Climate Change – Policy Brief für Deutschland 2021“, online unter: ttps://www.klimawandel-gesundheit.de/wpcontent/uploads/2021/10/20211020_Lancet-Countdown-Policy-Germany2021_Document_v2.pdf.
  7. Schmitt, M., Kühlert, M., Baedecker, C., (2023): „Explorationsstudie Klimawandel und Gesundheit: Studie im Auftrag der BARMER“, onlune unter: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/index/index/docId/8335.
Naturbasierte Lösungen als allrounder im Kampf gegen den Klimawandel

Naturbasierte Lösungen als allrounder im Kampf gegen den Klimawandel

Die Natur hat zahlreiche Talente. Sie beherbergt nicht nur Flora und Fauna, sondern hat auch eine entscheidende Wirkungskraft im Kampf gegen den Klimawandel. In der Zukunft werden naturbasierte Lösungen immer wichtiger, denn sie fördern Klimaresilienz und sind gleichzeitig wichtige Kohlenstoffsenken.

Foto: Madeleine Raabe (Wuppertal Institut) Die Emscher am Phönixsee in Dortmund (2023)

Naturbasierte Lösungen (Nbs) sind “Maßnahmen, die natürliche Prozesse und Eigenschaften von Ökosystemen nutzen, um zentrale gesellschaftliche Herausforderungen, wie z.B. den Klimawandel, zu bewältigen und dabei zugleich erheblichen weiteren ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Gewinn bringen” [1]:

  • Sie sind essentiell für den Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität: Fruchtbare Böden, saubere Flüsse, Wasser und Luft sind für das Überleben von Mensch und Tier unabdingbar.
  • Sie bringen gleichzeitig erheblichen gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Gewinn, beispielsweise durch die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Bereichen Landschaftsarchitektur, Bodenpflege, Gartenbau, Agroforstwirtschaft oder auch im Tourismus, der wie kaum ein anderer Wirtschaftssektor auf eine intakte Natur und Umwelt angewiesen ist.
  • Sie unterstützen den Menschen zudem bei der Anpassung an den Klimawandel und extreme Wetterereignisse [2]: Gesunde Böden speichern zum Beispiel Wasser, regulieren den Wasserhaushalt und intakte Flussauen unterstützen den Hochwasserschutz.
  • Die Schaffung von Naturräumen ist gerade auch in städtischen Ballungszentren von größter Bedeutung: Naturnahe Flächen in Städten fördern das menschliche Wohlbefinden, innerstädtische Parks, Flussufer oder Seen sind zudem wichtige Naherholungsräume und Treffpunkte. 
Vorteile von naturbasierten Lösungen - Die Europäische Kommission

Übersicht über die acht Großlandschaften NRWs, Abb. von Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW

Eines der größten Renaturierungsprojekte Europas ist in Nordrhein-Westfalen beheimatet: Der Emscher-Umbau im Herzen des Ruhrgebiets. Zusätzlich zu der wasserwirtschaftlichen und ökologischen Erneuerung des gesamten Flussgebiets wurde bei der Flussrenaturierung auch der Mehrwert für die Stadt- und Freiraumentwicklung, Klimaanpassung, Gesundheit, Biodiversität etc. mitgedacht.[3] Im 19. und 20. Jahrhundert wurde das Flussgebiet den Notwendigkeiten der Industrialisierung untergeordnet und so in seinen Ökosystemdienstleistungen massiv eingeschränkt. Mittlerweile ist die Emscher wieder ein Zuhause für viele Fischarten und an den Ufern leben Vögel, darunter der Eisvogel, der nur an besonders sauberen Gewässern brütet.[4] Der naturbasierte Umbau der Emscher ist eine Erfolgsgeschichte und steht heute stellvertretend und zukunftsweisend für die Möglichkeit eines nachhaltigen Strukturwandels einer ganzen Region.

Relevant auch für den Klimaschutz

Während bei der Anpassung an den Klimawandel die naturbasierten Lösungen im Vordergrund stehen, wird ihre Relevanz für die Speicherung von CO2 oft von den technischen Lösungsansätzen (z. B. Direct Air Capture oder Carbon Capture and Storage) verdrängt. Diese Technologien gelten als entscheidend für den Kampf gegen den Klimawandel und gewinnen zunehmend an Bedeutung, jedoch sind sie in dem Umfang, der für die Erreichung des 1,5 Grad Ziels benötigt wird, noch nicht vorhanden oder schlicht zu teuer und energieintensiv.[5] Auf der Europäischen Ebene werden jedoch auch naturbasierte Lösungen in den letzten Jahren intensiver diskutiert und spielen so zum Beispiel in der Strukturförderung und im European Green Deal eine wichtige Rolle. Aufgrund zahlreicher positiver Nebeneffekte und vergleichsweise günstiger Kosten-Nutzen-Verhältnisse sind naturbasierte Lösungen eine sinnvolle Ergänzung zu technischen Lösungen der Emissionsreduktion.

 

Herausforderungen in der Umsetzung

Besonders wichtig für die Umsetzung ist es, die Menschen in den Regionen und Kommunen als Partner*innen aktiv einzubeziehen: zum Einen diejenigen, die Flächen bewirtschaften und besitzen, zum Anderen die Entscheidungsträger*innen in den Kommunen und Städten, die am Besten einschätzen können, wo die dringendsten Bedarfe und auch Potenziale für die Umsetzung naturbasierter Lösungen liegen. Es ist deshalb sehr wichtig, bei den Maßnahmen für die naturbasierten Lösungen auf Förderung zu setzen, um so finanzielle Anreize für eine freiwillige Umsetzung, auch in NRW, zu schaffen.[6] Die kulturelle Herausforderung, vor der wir stehen, ist allerdings die Wiederentdeckung der Schönheit, Eigenart und Vielfalt der Natur, der auch bei der Debatte um die naturbasierten Lösungen schnell in den Hintergrund tritt. Zwar folgen Natur-, Umwelt- und Klimaschutz immer funktionalen, anthropozentrischen Überlegungen, jedoch sollten diese nicht nur Lösungen in einem engen technologischen Sinn verfolgen, sondern auch kulturelle Werte und unsere emotionalen und ästhetischen Bedürfnisse anerkennen.

 

Madeleine Raabe, Junior Researcherin im Forschungsbereich Energiewende International

Fußnoten

  1. Schubert, D. (2021). Naturbasierte Lösungen in den EU-Strukturfonds in Deutschland 2021—2027 Maßnahmen, Mehrwert und Möglichkeiten, S.3. https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Europa___International/nbs_strukturfonds_bf.pdf
  2. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. (2022). Aktionsplan Natürlicher Klimaschutz. https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Naturschutz/aktionsprogramm_natuerlicher_klimaschutz_2023_bf.pdf 
  3. Schröter, B., Brillinger, M., Gottwald, S., Guerrero, P., Henze, J., Ott, E., Schmidt, S., & Albert, C. (2021). Planung naturbasierter Lösungen in Flusslandschaften. oekom verlag. https://doi.org/10.14512/9783962388485 
  4. Fischer, Katarina. (2022). Emscher-Umbau: Die Rettung des dreckigsten Flusses Deutschlands. National Geographic. https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2022/09/emscher-umbau-die-rettung-des-dreckigsten-flusses-deutschlands .
  5. NABU. (2023). Negative Emissionstechnologien CCU CCS – NABU. https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/forschungspolitik/32419.html.
  6. Schubert, D. (2021). Naturbasierte Lösungen in den EU-Strukturfonds in Deutschland 2021—2027 Maßnahmen, Mehrwert und Möglichkeiten.