Kreislaufwirtschaft möglich machen: Das Recht auf Reparatur

Kreislaufwirtschaft möglich machen: Das Recht auf Reparatur

Produkte zu reparieren statt wegzuwerfen könnte Klima und Geldbeutel schonen – passiert in der Praxis aber immer seltener. Die Europäische Kommission hat daher jetzt ein „Recht auf Reparatur“ verabschiedet – aber was bedeutet das konkret? Und reicht es aus?

Bild von einem Handy, das repariert wird

Foto von Militiamobiles auf Pixabay

Wer in der Kreislaufwirtschaft Ressourcen möglichst effizient schonen will, muss bei der Nutzungsdauer von Produkten ansetzen. Produkte zu reparieren anstatt sie wegzuwerfen, wenn nur einzelne Komponenten nicht mehr funktionieren, klingt logisch und einleuchtend – passiert in der Praxis aber immer seltener. Die Reparaturbranche befindet sich seit Jahren in einer tiefen Krise, weil sich immer komplexere Produkte kaum noch rentabel reparieren lassen. Nach Angaben der Kommission entstehen in Europa pro Jahr durch die vorzeitige Entsorgung noch brauchbarer Konsumgüter 35 Mio. Tonnen Abfall. [1] Vor diesem Hintergrund ist die Europäische Kommission jetzt aktiv geworden, mit einem sogenannten „Recht auf Reparatur“.

Was bedeutet das konkret für mich?

Danach müssen Unternehmen in Zukunft für viele Produktgruppen eine Reparatur anbieten anstatt nur den Umtausch eines defekten Produkts, gleichzeitig verlängert sich die Garantiezeit eines Produkts durch die Reparatur automatisch um ein Jahr. Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, Reparatur durch konkrete Maßnahmen zu unterstützen und digitale Informationsangebote für Reparaturangebote zu schaffen.

261 Mio. Tonnen CO2

könnten in Europa jedes Jahr eingespart werden. [2]

Diese Emissionen entstehen schätzungsweise durch die Entsorgung und Neuherstellung von Produkten, die eigentlich noch funktionsfähig wären. Die technische Haltbarkeit eines Handys liegt um etwa den Faktor 4 höher, als die tatsächliche Nutzungsdauer.

Reicht das?

Die neue Richtlinie der Europäischen Union tritt am 31. Juli 2026 in Kraft und bis dahin müssen die Mitgliedstaaten die Umsetzung der Richtlinie sorgfältig vorbereiten. Die Europäische Kommission schlägt unter anderem Reparaturgutscheine oder Weiterbildungsmaßnahmen vor.

All diese Maßnahmen sind richtig und wichtig, sie müssen jedoch eingebettet werden in Strategien, die auf eine grundsätzliche Veränderung von Geschäftsmodellen abzielen: Solange Unternehmen eine höhere Rendite erzielen, wenn sie schlecht reparierbare Geräte anbieten, werden sie kaum einen Anreiz haben, in die Reparaturfähigkeit ihrer Produkte zu investieren. Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Herstellerverantwortung: Wer Produkte mit einer unnötig kurzen Nutzungsdauer anbietet, sollte von vornherein eine höhere Gebühr zahlen, um dieses überhaupt auf dem Markt anzubieten. Zudem sollten die Kosten für Sammlung und Verwertung, die heute gleichmäßig über alle Hersteller verteilt werden, die tatsächliche Nutzungsdauer berücksichtigen – was in Zukunft über digitale Produktpässe möglich werden wird

Was tut NRW?

    Mit dem Förderprogramm Circular Cities unterstützt NRW Städte und Kreise, die sich aus dem Recht auf Reparatur ergebenden Chancen auch in die Praxis umzusetzen. In Wuppertal wird aktuell eine App entwickelt, die für kaputte Produkte per KI-Erkennung den nächsten Reparaturbetrieb findet. 2025 wird ein Projekt starten, das die regionalökonomischen Effekte eines Reparaturbonus in Echtzeit abbilden soll. Speziell für die öffentliche Beschaffung, damit das Land NRW seine Vorbildfunktion erfüllen kann, wird es aber noch Unterstützung brauchen, reparierfähige Produkte zu priorisieren. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz NRW sieht das zwar vor, in der Praxis sind die Vergabestellen ohne verbindliche Kennwerte wie in Frankreich kaum in der Lage, das auch umzusetzen.

      Autor

      Prof. Dr. Henning Wilts, Leiter der
      Abteilung Kreislaufwirtschaft

      Fußnoten

      1. Europäische Kommission (2023): Right to repair: Commission introduces new consumer rights for easy and attractive repairs, Pressemitteilung, online unter: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_23_1794 (zuletzt aufgerufen am 18.11.2024).
      2. Ebd.

      Kommunen interaktiv in die Kreislaufwirtschaft führen

      Kommunen interaktiv in die Kreislaufwirtschaft führen

      Im Rahmen des Projektes bergisch.circular wurde ein interaktiver Leitfaden für Kommunen entwickelt, der nicht nur theoretisches Wissen vermittelt, sondern auch konkrete Tools, Praxisbeispiele und rechtliche Orientierung rund um das Thema Kreislaufwirtschaft bietet.

      Bild von einem Bildschirm, auf dem die Startseite des interaktiven BluePrints "Zirkuläre Prozesse in Kommunen" gezeigt wird

      Foto vom Wuppertal Institut

      Der steigende Wohlstand und das Bevölkerungswachstum führen weltweit zu einem immer höheren Ressourcenverbrauch – mit schädlichen Folgen für den Planeten und uns Menschen. Kreislaufwirtschaftliche Ansätze wie z. B. Recycling und Wiederverwendung bieten nachhaltige Lösungen, indem sie Ressourcen länger nutzen und den Bedarf an neuen Rohstoffen senken. Kommunen spielen bei der Umsetzung der Transformation eine zentrale Rolle, da sie viele Ressourcen managen, etwa im Abfallbereich, beim Bau kommunaler Gebäude und in der öffentlichen Beschaffung.

      Überproportionales Wachstum

      Derzeitige Wirtschaftsstrukturen sorgen für hohen Ressourcenverbrauch

      Bis 2060 wird sich der globale Ressourcenverbrauch im Vergleich zu 2017 voraussichtlich verdoppeln, während die Weltbevölkerung nur um 26 % wächst [1] [2] – ein klares Zeichen für die notwendige Transformation!

      Ressourcenschonung im Bergischen Städtedreieck

      Das Projekt bergisch.circular treibt die Kreislaufwirtschaft in den Stadtverwaltungen des Bergischen Städtedreiecks voran, mit Fokus auf zirkulärem Bauen, nachhaltiger öffentlicher Beschaffung und Abfallvermeidung. Gemeinsam wurden Vorhaben wie eine Pilotsammlung für Altmatratzen angestoßen, um Ressourcen effizienter zu nutzen.

      Kreislaufwirtschaft handhabbar machen

      Damit auch andere Kommunen den Weg zur Kreislaufwirtschaft einschlagen können, wurde in dem Projekt ein interaktiver Leitfaden, der „Blueprint“, entwickelt. Dieser Leitfaden bündelt Erkenntnisse aus bergisch.circular und bietet u. a. praxisnahe Beispiele, Literaturempfehlungen sowie Tools wie einen Textbaustein-Katalog für zirkuläre Kriterien in Ausschreibungen. [3]

      Der Leitfaden ermöglicht eine einfache Navigation durch Themen zur Kreislaufwirtschaft und bietet vertiefendes Begleitmaterial. Ziel ist es, Kommunen deutschlandweit zur Ressourcemschonung zu inspirieren. Insb. für NRW, das derzeit stark auf Grundstoffe ausgerichtet ist, spielt die Transformation eine entscheidende Rolle für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit. [4]

        Autor*innen

        Maike Demandt, Researcherin
        im Forschungsbereich Zirkuläre Systeme

        Dominik Martin, Researcher
        im Forschungsbereich Zirkulärer Wandel

        Fußnoten

        1. OECD (2019): „Global Material Resources Outlook to 2060: Economic Drivers and Environmental Consequences“, OECD Publishing. Paris. online unter: https://doi.org/10.1787/9789264307452-en (zuletzt aufgerufen am 7.11.2024).
        2. UN DESA (Population Division) (2024): „Prognose zur Entwicklung der Weltbevölkerung von 1950 bis 2100 (in Milliarden)“, online unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1717/umfrage/prognose-zur-entwicklung-der-weltbevoelkerung/ (zuletzt aufgerufen am 7.11.2024).
        3. Neue Effizienz (2024): „Blueprint: Zirkuläre Prozesse in Kommunen“, online unter: https://bergisch-circular.de/wp-content/uploads/sites/3/2024/09/Blueprint-bergisch.circular-1.2.pdf (zuletzt aufgerufen am 7.11.2024).
        4. Wilts, H., Berg, H., Seyring, N., Vahle, T., Herrmann, S., Kick, M., Müller-Kirschbaum, T. (2022): „NRW 2030: Von der fossilen Vergangenheit zur zirkulären Zukunft“, online unter: https://wupperinst.org/fileadmin/redaktion/downloads/projects/NRW2030_Zirkulaere_Zukunft.pdf (zuletzt aufgerufen am 7.11.2024).
        Kreislaufstrategien für die Versorgungssicherheit und nachhaltige Nutzung kritischer Rohstoffe

        Kreislaufstrategien für die Versorgungssicherheit und nachhaltige Nutzung kritischer Rohstoffe

        Kritische Rohstoffe sind Schlüssel für Zukunftstechnologien im Feld der erneuerbaren Energien und Elektromobilität. Die EU setzt auf mehr Inlandsproduktion und verstärktes Recycling. NRW kann seine Wirtschaft durch Kreislaufstrategien nachhaltig stärken.

        Foto von Roberto Sorin auf Unsplash

        Die Nachfrage nach kritischen Rohstoffen und deren Bedeutung ist in den letzten Jahren stark gestiegen, denn sie bilden die Grundlage für viele Zukunftstechnologien – insbesondere auch im Zusammenhang mit der Energiewende. Zum Beispiel sind Lithium-Batterien unverzichtbar für Elektroautos, Seltene Erden werden für die Herstellung von Dauermagneten in Windturbinen benötigt.

        Entwicklungen auf EU-Ebene

        Auf europäischer Ebene gibt es bereits seit der Rohstoffinitiative im Jahr 2008 [1] Bemühungen, die Frage um kritische Rohstoffe und ihre Versorgungssicherheit zu adressieren. Die Debatte gipfelte im März 2023 im Vorschlag des Critical Raw Materials Act durch die EU-Kommission [2], der klare, ganzheitliche Ziele vorgibt: Während zum einen die zunehmende Förderung und Verarbeitung von Rohstoffen in der EU forciert wird, sollen bis 2030 mindestens 15 % des Jahresverbrauchs der EU auch durch Recycling gedeckt werden. Die EU setzt damit erstmals ein messbares Ziel für die Umsetzung einer Kreislaufstrategie in Bezug auf alle kritischen Rohstoffe.

        Rasanter Anstieg der Lithiumnachfrage

        Die globale Produktion von Lithium hat sich in den letzten 10 Jahren mehr als verdreifacht [3]

        Lithium wird hauptsächlich in Batterien verwendet. Durch den Ausbau der Elektromobilität der letzten Jahre ist die Nachfrage und damit die Produktion erheblich gestiegen. Es ist davon auszugehen, dass die Nachfrage auch in den nächsten Jahren weiter steigen wird.

        Auswirkungen und Chancen in NRW

        Als starkes Industrie- und Wirtschaftszentrum ist NRW besonders von kritischen Rohstoffen abhängig und ist direkt von der EU-Strategie betroffen. Branchen wie etwa die Chemie- und Elektroindustrie sowie die Metallverarbeitung sind von ihrer Verfügbarkeit abhängig. Die Reduzierung des Ressourceneinsatzes in der Produktion, die Verlängerung der Produktlebensdauer, die Wiederaufbereitung von End-of-Life Produkten sowie das Recycling von kritischen Rohstoffen – Kreislaufstrategien also – spielen in der Folge für die zukünftige Wirtschaftlichkeit dieser Sektoren eine wesentliche Rolle. Sie sind notwendig, um Industrien krisenfester und nachhaltiger zu gestalten [4]. Diese Aspekte sollten auch einen festen Platz in der Landeskreislaufwirtschaftsstrategie einnehmen, die in NRW aktuell erarbeitet wird.

        Die Forschungs- und Innovationslandschaft in NRW bietet darüber hinaus vielversprechende Möglichkeiten, um neue Technologien, Recyclingverfahren und Substitutionslösungen zu entwickeln und somit die allgemeine Nachfrage nach kritischen Rohstoffen zu verringern. Dafür müssen Politik und Industrie jedoch eng zusammenarbeiten und einen gemeinsamen Fokus auf die Suche nach den nachhaltigsten Lösungen legen. 

        Silvia Proff, Junoir Researcherin
        im Forschungsbereich Kreislaufwirtschaft

         

        Fußnoten

        1. Commission of the European Communities. (2008). Communication from the Commission to the European Parliament and the Council: The Raw Materials Initiative – Meeting Our Critical Needs for Growth and Jobs in Europe. Brussels. COM(2008) 699 final. https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2008:0699:FIN:en:PDF
        2. European Commission. (2023). Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council Establishing a Framework for Ensuring a Secure and Sustainable Supply of Critical Raw Materials and Amending Regulations (EU) 168/2013, (EU) 2018/858, 2018/1724 and (EU) 2019/1020. COM(2023) 160 final. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A52023PC0160.#Namen (#2021): „#Titel“, online unter: https://www.link.de/politik/deutschland/diesisteinlink (zuletzt aufgerufen am #.#.202#).
        3. U.S. Geological Survey. (1996-2023). Mineral Commodity Summaries 1996-2023. U.S. Geological Survey (U.S. Geological Survey, 1996-2023 [yearly publication]). https://www.usgs.gov/centers/national-minerals-information-center/mineral-commodity-summaries
        4. University of Cambridge Institute for Sustainability Leadership (CISL) and the Wuppertal Institute. (2023). Embracing circularity: A pathway for strengthening the Critical Raw Materials Act. Cambridge, UK: CLG Europe.