Wir müssen verhindern, dass sich die gesellschaftliche Spaltung verschärft
Anja Weber ist Vorsitzende des DGB NRW und Mitglied des NRW-Nachhaltigkeitsbeirats. Wir haben Sie gefragt, wie wir Konflikte um unsere Zukunft besser lösen können.
Liebe Frau Weber, Sie vertreten die Interessen der Arbeitnehmer*innen in NRW. Wenn wir über die Nachhaltigkeitstransformation reden, sprechen wir häufig über Konflikte. Die Suche nach Gemeinsamkeiten und Synergien geht da schnell unter. Wie können wir die Nachhaltigkeitspolitik so gestalten, dass sie die gemeinsamen Ziele und entsprechende Maßnahmen findet und stützt?
Anja Weber: Wir können Nachhaltigkeit nur gestalten, wenn wir die Zielkonflikte offen ansprechen. Deshalb ist es uns als DGB wichtig, deutlich zu machen, dass Gute Arbeit und Sicherheit im Wandel für Arbeitnehmer*innen in allen Themenfeldern mitgedacht und eingeständig vorangetrieben werden muss. Aus der betrieblichen Mitbestimmung wissen wir, dass das offene Ansprechen von Konflikten am Ende zu besseren Lösungen führt. Denn Lösungen können erst dann wirklich tragen, wenn die unterschiedlichen Perspektiven zusammengeführt werden. Deshalb ist falsch, Nachhaltigkeit nur als Umweltschutz zu betrachten oder hier eine Priorisierung vorzunehmen.
Als Interessenvertreterin der Arbeitnehmer*innen hatten Sie in den letzten Jahren eine große Aufgabe im Rheinischen Revier, wo bis heute die genaue Ausgestaltung einer proaktiven Strukturpolitik verhandelt wird. Können wir aus dem Strukturwandel dieser Region etwas für die integrierte Nachhaltigkeitspolitik lernen?
Anja Weber: Einmal mehr wird auch im Rheinischen Revier deutlich, dass neue Arbeitsplätze für alle Qualifikationsstufen nicht automatisch entstehen. Das haben wir zuvor schon beim Strukturwandel im Ruhrgebiet erlebt. Ich bin froh, dass wir mittlerweile einen Konsens darüber haben, dass die Schaffung von neuen und guten Arbeitsplätze an die erste Stelle gestellt werden muss. Das bedeutet nicht, dass ökologische Fragen vernachlässigt werden.
Sie sind Mitglied im NRW-Nachhaltigkeitsbeirat. Welche Rolle sehen Sie für den Beirat in der Umsetzung einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitspolitik für NRW?
Anja Weber: Auch hier gilt es, alle Perspektiven zusammen zu bringen. Wir müssen verhindern, dass sich die gesellschaftliche Spaltung verschärft. Wir erleben derzeit in den Betrieben, dass die Skepsis gegenüber der ökologischen und sozialen Transformation wächst. Und zwar nicht, weil die Menschen die Ziele ablehnen, sondern weil sie das Vertrauen verlieren, dass es realistische Umsetzungspfade gibt. Wenn die Menschen das Gefühl bekommen, der Wandel wird vorrangig auf dem Rücken der Schwächeren ausgetragen, dann steigen sie aus. Damit verspielen wir auch die politischen Mehrheiten, die wir für den sozialen und ökologischen Wandel brauchen.
Es handelt sich um ein schriftliches Interview.
Die Fragen stellte Michaela Roelfes, Senior Researcherin im Forschungsbereich Stadtwandel